Menschen haben einen Bewegungsapparat und keinen Sitzapparat!
Die moderne Art zu leben nimmt in einem immer schnelleren Ablauf Einfluss auf unsere Lebensweise. Der Durchschnittsmensch hält sich inzwischen bis zu 90 Prozent seiner Zeit in geschlossenen Räumen auf, die meiste Zeit im sitzenden Zustand. Politik und Wirtschaft suggerieren uns ununterbrochen über das Sprachrohr der Medien das Wirtschaftswachstum hoch zu halten und fest zu konsumieren.
Aber ist es denn nicht so, dass wir unsere Lebensweise von profitgierigen, finanzkräftigen Konzernen und deren medialer Macht teils unbewusst aufgezwungen bekommen. Spielt dabei das Wohlbefinden des Menschen, der Wunsch auf ein vitales, gesundes Leben nur ansatzweise eine Rolle?
Die wohl dankbarsten Opfer finden die Markenstrategen bereits unter den Jugendlichen. Mit ausgeklügeltem Marketing ist es für sie ein Leichtes den Lifestyle, die „must haves“ vorzugeben. Die Werbung durchdringt schon den Kindesalltag. Die wohl aggressivste Form des Marketings betreibt die Lebensmittel- und Junk Food Industrie. Nicht gesunde Produkte bringen den Profit, sondern zuckrige, fettige und salzige Lebensmittel sind unwiderstehlich für Kinder (die Umsatzrendite für Snacks und Kekse liegt bei 18 Prozent, der für Obst und Gemüse bei 4,6 Prozent). Im Schüler- und Jugendalter wird das große Geschäft mit dem Medienkonsum wie I-Phones, I-Pads und I-Pods (Anm.: stellvertr. für ähnliche Produkte), Markenartikeln, Aufputschmitteln (Energy Drinks) sowie Alkoholika gemacht. Die mediale Berieselung des „Haben Müssens“ und „Cool Seins“ lassen die Jugendlichen ihre Freizeit in den Konsumtempeln, mit dem Internet oder in Event- und Entertainmentcentern verbringen. Für die Wirtschaft genial, dienen doch diese Locations wiederum als ideale Plattform für deren Marketing.
Für eine in diesem Alter so wichtige bewegungsaktive Lebensphase bleibt somit kaum Zeit bzw. spielt bei vielen Jugendlichen überhaupt keine Rolle mehr.
Da diese exzessive Lebensführung mittelfristig ihren Tribut fordert gibt es in der Folge mit der Pharma- Gesundheits- und Schlankheitsindustrie weitere potentielle Gewinner. Die Zivilisationskrankheiten steigen kontinuierlich an. Die Gesundheitskosten in Österreich haben sich seit 1990 verdreifacht. Lt. OECD Studie nehmen bereits mehr als 50 Prozent der 17-jährigen Mädchen regelmäßig Medikamente gegen Beschwerden, 800.000 Österreicher nehmen inzwischen regelmäßig Psychopharmaka ein.
Laut Weltwirtschaftsforum ist der Vormarsch von Lebensstilerkrankungen (Ursache für 86% der Todesfälle) inzwischen schwerwiegender als die Wirtschaftskrise und bedrohlicher als der Klimawandel und kann für Volkswirtschaften tatsächlich ruinös werden.
Eine Gesellschaft, die zukunftsfähig sein will, ist auf die Gesundheit ihrer Bürger und vor allem ihrer Kinder dringend angewiesen. Tatsächlich ist jedoch der Zustand der Kinder- und Jugendgesundheit gerade in Österreich (wie auch in den meisten anderen Wohlfahrtsstaaten) erschreckend. Wie aus den neuesten Studien der UNICEF und OECD hervorgeht steht es nirgendwo in den europäischen Ländern so schlecht mit der Kinder –und Jugendgesundheit als in Österreich und das, obwohl das Gesundheitswesen für Erwachsene als eines der besten der Welt gilt. Verlassen wir uns gerade deshalb zu sehr auf die Medizin und nehmen die eigene Vorsorge zu lax?
Feststellbar ist, dass es ein erhebliches Stadt- Landgefälle sowie ein Wohlstandsgefälle gibt. Während in Tirol die gesündesten Jugendlichen beheimatet sind, bilden Wien und Burgenland das Schlusslicht. Generell darf man davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche sich im ländlichen Bereich noch mehr bewegen als in den Städten. Dazu kommt, dass die natürliche
Bewegung bei Spiel und Sport meist in frischer Luft ausgeübt wird. Umstände, die die Kinder im städtischen Bereich kaum mehr vorfinden. Ein weiterer Einflussfaktor ist sicherlich eine gesunde, ausgewogene Ernährung, die inzwischen bei vielen Familien vom Speisezettel verschwunden ist. Mit fatalen Folgen, denn was in der Familie vorgelebt wird, prägt meist das ganze Leben lang.
Wir alle wissen doch, dass der Grundstein für den Großteil der modernen Lebensstilkrankheiten bereits in der frühen Kindheit gelegt wird. Gerade deshalb ist es unverantwortlich, Kinder, die auf das Vorleben der Erwachsenen angewiesen sind, frühzeitig zu einer ungesunden Lebensführung zu erziehen. Wer in Kindheit und Jugend ein Bewegungsmuffel ist, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Alter. Kinder und Jugendliche mit Gewichtsproblemen – deren Zahl steigt stetig – mühen sich meist ihr gesamtes Leben damit ab. Das Bedauernswerte daran ist, dass die Betroffenen, obwohl von ihnen nicht selbstverschuldet, ihr Leben lang nicht die Erfahrung machen können, was es heißt, ein aktives, vitales Leben führen zu können. Früher oder später werden sie Opfer von meist völlig unhaltbaren Versprechungen der sprunghaft ansteigenden Gesundheits- und Schönheitsbranche.
Im Liga-Bericht für Kinder- und Jugendgesundheit ist zu lesen, dass in Österreich zurzeit 80.000! Kinder und Jugendliche auf eine notwendige Therapie warten und das, wo doch 98 Prozent der Säuglinge gesund zur Welt kommen. Sollte das stimmen, dann „Gute Nacht“ liebe Gesellschaft. Da stellt sich doch wohl die Frage, ob die Jubelstimmung der Wirtschaft über die ständig wachsenden Verkaufszahlen von Smartphones, Playstations, Fernsehgeräten, Kinder DVDs etc. wirklich zum Jubeln veranlassen.
Kinder haben einen instinktiven Bewegungsdrang. Wo eine Gelegenheit ist, rennen, hüpfen, klettern und balancieren sie. Dieser natürliche Instinkt ist wichtig für die gesunde Entwicklung von Körper und Geist. Regelmäßige Bewegung stärkt das Immunsystem sowie den Bewegungsapparat, unterstützt die Organbildung, bildet leistungsfähigere Abwehr- und effizientere Muskelzellen.
Ausreichende Bewegung ist auch für die geistige Leistungsfähigkeit wichtig. Kinder, die eine gute Körperkoordination besitzen, können sich besser konzentrieren. Im Schüleralter ist Bewegung für den Stressabbau durch Schule, Streitigkeiten, aber auch durch zu hohen undifferenzierten Medienkonsum, enorm wichtig.
Tja, all das sind keine Geheimnisse und soll allgemein bekannt sein. Trotzdem leidet ein Großteil unserer Kinder an chronischem Bewegungsmangel mit all seinen negativen Folgeerscheinungen. Viele Kinder weisen heute enorme motorische Defizite auf, Purzelbaum, Rückwärtslaufen, auf einem Bein stehen, Fehlanzeige!
Wären da nicht wieder Gewinner dieses Dilemmas. Über Haltungsschäden, Zappelphilipps, Essstörungen, Übergewicht, chronische Erkrankungen, psychische Störungen, Suchtverhalten freuen sich wiederum die Pharma- und Gesundheitsindustrie